Alli mini Ufzgi – So machte man Schule
Alli mini Ufzgi
1640 – also schon fast vor 400 Jahren – wurde die Schule Greifensee gestiftet.
Alli mini Ufzgi
Sprecher: Peter Götsch, Text: Bonnie Bosshard, Dauer: 4:56 min
Die Anfänge
1640: Die Gemeinde hat im Städtli ein Haus erworben, das fortan als Schulhaus und dem Schulmeister als «Herberg ohne Zins» dienen sollte. Als Einkommen versprachen die zwei Dutzend Einwohner und der Landvogt eine jährliche Abgabe in Form von Geld oder Getreide. Von der Gemeinde erhielt der Schulmeister jährlich seinen Anteil an Holz wie jeder andere «Gmeinds-Gnoss» und für jedes Schulkind wöchentlich einen ½ Batzen als Schülerlohn.
Mit diesem Finanzierungsmodell gelangte die Gemeinde an die gnädigen Herren und Oberen in Zürich und bat, die geplante «teütsche Schul» zu bewilligen. Das Gesuch wurde wohlgefällig aufgenommen, der Lehrerlohn um obrigkeitliche Beträge aufgestockt und der Kauf des Schulhauses «aus Gnad» mit 100 Pfund subventioniert.
Übrigens, die Fällander Nachbarn stellten schon 1508 – also über 100 Jahre früher – einen Schulmeister ein. Allerdings hatte wohl auch Greifensee schon vorher einen Lehrer, der aber den Unterricht in seiner Privatwohnung oder allenfalls im Pfarrhaus abhielt.
Der Stiftungsbrief von 1640 hatte wohl vor allem den Zweck, die Organisation und die Finanzierung der Schule neu zu regeln, weil der Erwerb und der Unterhalt des neuen Schulhauses das Gemeindebudget sprengten.
Lernziele anno dazumal
Im Stiftungsbrief von 1640 sind auch die Lernziele der damals rein kirchlichen Schule formuliert: «Unterweisung, Leerung und christliche Auferzeuchung (Erziehung) der lieben Jugend, auch Fortpflanzung des Christlichen Kirchen-Lobgesanges.»
In der Praxis hiess das Beten, Singen, Auswendiglernen, Lesen und Abschreiben von Glaubensgrundsätzen und Bibelpassagen.
Rechnen wurde soweit ersichtlich erst im 18. Jahrhundert in den Lehrplan aufgenommen. Pfarrer Hans Jakob Vogel schilderte in seinem Bericht von 1772 seine Erfahrungen mit diesem Fach: «Aber das ekelhaffteste mag seyn das rechnen, so nötig und nützlich es auch ist. Das ist wirklich das schwerreste, das am meisten Nachdenken erfordert.»
Übrigens wurde damals nur im Winter Schule gehalten. Im Sommer mussten die Kinder beim «Sähet» und «Heuet» hart mitarbeiten.
Die Kinder vom Wildsberg kamen überhaupt nie zur Schule. Pfarrer Vogel sprach mehrmals und liebreich bei den Eltern vor und weil das nichts nützte, habe er «die Kinder im Wildsperg von der täglichen Schul dispensieren müssen», wie er sich vor der Obrigkeit rechtfertigte. Dennoch wurde 1767 die ganzjährige Schule eingeführt.
Neubau und Renovation
Das 1640 eröffnete Schulhaus war allerdings schon wenige Jahrzehnte nach dem Kauf «schlächt» und musste renoviert werden.
Die Schulstube war eng und zeitweise mit einem Webstuhl verstellt. Dennoch erfüllte es fast 190 Jahre seinen Zweck. 1829 wurde es dann endlich durch diesen «modernen» Neubau ersetzt. Neu war, dass das Gebäude nicht mehr aus Holz, sondern massiv aus Stein direkt an die Kirchenmauer gebaut wurde.
Allerdings war man mit dem Gebäude nicht so richtig zufrieden. Die Wände konservierten die Feuchtigkeit und die Kälte, vor allem in der Lehrerwohnung im hinteren Teil des Gebäudes, wo die Zimmer wegen der Kirche kaum Sonne abbekamen. Zudem sickerte von der benachbarten Färberei, der späteren «Limi», ununterbrochen zugeleitetes Wasser unter das Schulhaus.
1883 erbarmte sich die Schlossherrin und spendete 200 Franken für den Einbau einer «sonnigen und trockenen Kammer» im Dachgeschoss des Schulhauses.
Dem Gemeinderat war laut Protokoll wohl bekannt, dass die hintersten Zimmer der Lehrerwohnung wegen grosser Feuchtigkeit höchst ungesund waren. Die eingeholte Offerte für den Zimmereinbau überstieg die Offerte dann allerdings bei weitem. Der erforderliche Zusatzkredit von 380 Franken kam vor die Gemeindeversammlung und wurde mit 42 gegen 9 Stimmen abgelehnt. Die früheren Lehrer hätten die Kammer auch nicht gehabt, argumentierten die Gegner. Ausserdem entspreche die Lehrerwohnung dem Gesetz.
Die Volksschule wird gegründet
Erst 1832, also einige Jahre später, wurde im Kanton Zürich das erste moderne Schulgesetz erlassen. Das begründete die heutige Volksschule und wertete neben der Schule als Ganzem auch die gesellschaftliche Stellung der Dorflehrer erheblich auf. Die Schule wurde von der Kirche getrennt.
Unter anderem forderte der Kanton eine standesgemässe Unterkunft für die Lehrer und erstellte verbindliche Musterpläne für Schulhäuser und Lehrerwohnungen. Greifensees drittes Schulhaus wurde 1907 genau nach einem solchen Musterplan erstellt. Dieses damals topmoderne Jugendstil-Schulhaus wurde rechts der Kirche erbaut und dient heute als Kirchgemeindehaus der reformierten Kirchgemeinde.
Lehrer Jucker
Die neu gebildete Schulpflege beaufsichtigte nun anstelle des «Stillstands» und des Pfarrers die Schule.
Im neu eröffneten Lehrerseminar erhielten die Lehrer erstmals auch eine qualifizierte Fachausbildung. Der Besuch des Seminars war für Lehrer Pflicht.
Zu diesen grossen Männern zählte zweifellos der Dorflehrer Emil Jucker. 43 Jahre, von 1917 bis 1960, lehrte er in diesem Schulhaus. Als er seine Stelle hier antrat, war dieses Schulhaus wohl das Modernste was Greifensee zu bieten hatte. Bei seiner Pensionierung war das Bauerndorf dann auf dem Weg zur Agglomerationsgemeinde, sein Schulhaus war das «Alte» und er der letzte Lehrer, der seinerzeit noch acht Klassen gleichzeitig unterrichtet hatte. Teilweise wurden in diesem Zimmer bis zu 60 Kinder von Lehrer Jucker betreut.
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